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Grossorient
der Schweiz

Weisheit, Stärke, Schönheit

Gemeinsam für den Fortschritt der Menschheit

Treue zu dem, was in uns am menschlichsten ist, und die Hartnäckigkeit, dies nicht aufzugeben.

Man betritt eines Abends die Loge. Es regnet, wie so oft in Momenten, in denen sich das Leben scheinbar ohne Vorwarnung verändert. Man hat den Regenschirm geschlossen, die Schuhe abgewischt, und dann ist nichts mehr so wie zuvor.

Man spricht von Engagement, aber man weiß nie so recht, was damit gemeint ist. Vielleicht ist es diese stille Entscheidung, die einen eines Tages dazu bewegt, an die Tür des Tempels zu klopfen. Nicht aus Ehrgeiz oder Konformismus, sondern weil man verwirrt spürt, dass etwas fehlt. Nicht in der Welt. In einem selbst.

Der Weg der Initiation beginnt dort, in diesem inneren Riss, den man mit Lesen, Begegnungen oder manchmal mit Lärm und Ablenkungen zu füllen versucht. Er beginnt, wenn man versteht, dass das Ego nicht schützt, sondern isoliert. Dass das Licht nicht in Gewissheiten zu finden ist, sondern im Hinterfragen. Und dass Vorankommen zunächst bedeutet, zu akzeptieren, dass man fallen kann.

Ich bin kein außergewöhnlicher Mensch. Im Grunde bin ich sogar ganz gewöhnlich. Ich habe geliebt, bin geflohen, habe verloren. Ich habe die ruhige Arroganz der Jugend und die stille Demütigung des Scheiterns kennengelernt. Ich habe verachtet, ich habe gelogen. Und doch bin ich hier, kniend in der Dunkelheit, mit einer Augenbinde. Vielleicht ist es das, was Engagement ausmacht: sich selbst nicht mehr zu belügen.

Das Ego wehrt sich. Es will glänzen, verführen, überzeugen. Es weigert sich zu schweigen. Es ist diese innere Stimme, die flüstert, dass man mehr verdient, etwas Besseres, etwas anderes. Es ist auch dieses Gift, das Beziehungen ruiniert, Projekte untergräbt und die Liebe zu sich selbst in Selbstliebe verwandelt. Ich habe lange gebraucht, um zu verstehen, dass die Verpflichtung als Freimaurer kein Versprechen an andere ist, sondern eine Forderung an sich selbst.

Brüderlichkeit, Arbeit, Schweigen: Diese Worte klingen im Zeitalter des Selbstmarketings wie veraltete Tugenden. Doch sie sind Zufluchtsorte. In einer Welt, die von Geschwindigkeit und Leere zerfressen ist, sind sie Orientierungspunkte. Man wird nicht durch Dekret besser. Man wird es durch Zweifel, einfache Gesten und aufrichtiges Zuhören.

Ich behaupte nicht, zu wissen, wohin der Weg führt. Aber ich weiß, dass es sich lohnt, ihm zu folgen. Ich weiß, dass jede Tracht ein Stein ist, der auf den Weg gelegt wird. Und ich weiß, dass ich trotz meiner Fehler und trotz meiner Zweifel beschlossen habe, diesen Weg zu gehen. Nicht um perfekt zu werden, sondern um wahrhaftig zu werden.

Vielleicht ist es letztendlich genau das, was das freimaurerische Engagement ausmacht: Treue zu dem, was in uns am menschlichsten ist, und die Hartnäckigkeit, dies nicht aufzugeben.

Pierre J.