Aufruf des Grand Orient de Suisse an die Schweizer Freimaurer und Freimaurerinnen für Brüderlichkeit, Gerechtigkeit und Frieden
Genf, 28. Mai 2025
Aus dem Herzen Europas, einem Land der aktiven Neutralität, beobachten wir, die Freimaurer des Grand Orient de Suisse, mit Entsetzen die Unruhen im Nahen Osten.
Die Schreie der Kinder, das Leid der Mütter, die Trümmer, die sich auf den Hoffnungen auf eine gemeinsame Zukunft türmen, erinnern uns jeden Tag daran, wie dringend Frieden ist.
Wir vergessen nichts.
Weder den abscheulichen und ungerechtfertigten Terroranschlag vom 7. Oktober 2023, den wir mit aller Entschiedenheit verurteilt haben. Noch das legitime Recht Israels, sich zu verteidigen.
Dieses Recht kann jedoch das Ausmass der Zerstörung und den Preis, den die Zivilbevölkerung in Gaza zahlt, nicht rechtfertigen.
Was wir heute sehen, sind zwei Völker, die in einer Spirale aus Angst und Hass gefangen sind. Zwei Völker, die von der Logik der Waffen als Geiseln genommen werden. Zwei Völker, die Besseres verdienen als die mörderische Logik ihrer Führer.
Die Schweiz ist kein distanzierter Zuschauer. Sie hat eine Tradition der Aufnahme, des Dialogs und der Vermittlung. Hier sind viele Instrumente des Völkerrechts entstanden. Hier müssen die Stimmen des Friedens wieder gehört werden.
Wir, die Freimaurer des Grand Orient de Suisse, rufen dazu auf, die rohen Emotionen zu überwinden und den Weg der Vernunft, des Humanismus und der Gerechtigkeit wiederzufinden.
Mit Ernst und Hoffnung bekräftigen wir die Grundsätze, die jede dauerhafte Lösung leiten müssen:
– Die uneingeschränkte Achtung des menschlichen Lebens, überall und jederzeit;
– Ablehnung jeglicher terroristischer Gewalt, jeglicher blinder Rache und jeglicher Kollektivstrafe;
– Forderung nach Verhältnismäßigkeit und Verantwortung bei der Anwendung von Gewalt;
Volle und uneingeschränkte Anerkennung der Rechte aller Völker, ohne Unterschied und ohne Hierarchie.
Kein Volk darf zu einem Leben in ständiger Angst verdammt sein. Kein Kind darf unter Bomben aufwachsen. Keine noch so legitime Sache rechtfertigt die Verweigerung der Menschenwürde.
Deshalb
fordern wir eine sofortige Waffenruhe und ungehinderten Zugang zu humanitärer Hilfe für die Zivilbevölkerung in Gaza.
Wir fordern die sofortige Freilassung der noch von der Hamas festgehaltenen Geiseln.
Wir fordern die Wiederaufnahme eines glaubwürdigen politischen Dialogs, der auf eine gerechte und dauerhafte Lösung auf der Grundlage der gegenseitigen Anerkennung und der Koexistenz zweier souveräner, freier und säkularer Staaten abzielt.
In einer Welt, in der Leidenschaften das Denken übertrumpfen und Netzwerke Hass verbreiten, glauben wir, dass es die Pflicht der Freimaurerei ist, insbesondere in einem Land wie dem unseren, an eine einfache Wahrheit zu erinnern: Wir sind in erster Linie Menschen.
Wir lehnen Verallgemeinerungen, identitäre Rückzugsbewegungen und den Aufstieg von Antisemitismus und Islamfeindlichkeit ab.
Wir glauben, dass Brüderlichkeit kein frommer Wunsch ist, sondern eine politische, ethische und spirituelle Notwendigkeit.
Wir glauben, dass es nie zu spät ist, Frieden zu schaffen, solange man den Mut hat, die Hand auszustrecken.
Damit die Kinder in Gaza, Tel Aviv, Haifa, Ramallah oder Jerusalem sich eines Tages ohne Angst und Hass begegnen können.
Damit Gerechtigkeit und nicht Rache die Zukunft gemeinsam gestalten.
Damit der Name Genf, Stadt des Friedens, auch weiterhin mit den edelsten Bestrebungen des menschlichen Geistes verbunden bleibt.
Wir, die Freimaurer des Grand Orient de Suisse, rufen alle Menschen im Nahen Osten und hier bei uns feierlich dazu auf, den Weg zur universellen Brüderlichkeit wiederzufinden, die allein die Grundlage für einen echten und dauerhaften Frieden ist.